Olympia in Sotschi: Die Welt blickt eben nicht nur auf die Sportstätten, sie blickt auf die staatliche Diskriminierung von Minderheiten und drakonische Gesetze gegen Homosexuelle.
Russland missachtet die Menschenrechte – und somit den Geist der olympischen Charta. Das kann und darf bei Olympia 2014 in Sotschi nicht übersehen werden. Ein Gastbeitrag von Katrin Göring-Eckardt und Özcan Mutlu.
„Dabei sein ist alles“ heißt es, wenn es um die Olympischen Spiele geht. Und sicher ist es für die meisten Sportlerinnen und Sportler ein Höhepunkt ihrer Karriere, an den Spielen teilzunehmen. Hinter den Olympischen Spielen steht die große olympische Idee, die Nationen dieser Welt im friedlichen Wettstreit zusammenzubringen. Wer sich auf der Welt umschaut, wer derzeit nach Syrien oder Zentralafrika blickt, der weiß, wie nötig die Welt mehr Frieden hätte. Zweifelsfrei hat der Sport die Kraft, Menschen und Nationen zusammenzubringen, im offenen Wettstreit unter fairen Regeln zur Begeisterung von Sportfans überall. Dieser Gedanke muss tragende Säule der Olympischen Spiele sein – nichts anderes.
Leider wurden die Olympischen Spiele seit ihrer Neubelebung durch Pierre de Coubertin im Jahr 1896 immer wieder politisch instrumentalisiert, man denke an die Boykotte der Spiele von Moskau (1980) und Los Angeles (1984) im Kalten Krieg und an die blutige Geiselnahme israelischer Sportlerinnen und Sportler in München 1972. Die olympische Idee gerät auch durch Doping, zunehmende Kommerzialisierung und rücksichtslose Bauprojekte, die jeder Idee von Nachhaltigkeit spotten, immer weiter unter Druck.
Geld und Macht
Die bevorstehenden Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi stehen von Anfang an stark in der Kritik. Dazu gibt die Lage der Menschenrechte auch jeden Anlass. Die Welt blickt eben nicht nur auf die Sportstätten, sie blickt auf die staatliche Diskriminierung von Minderheiten und drakonische Gesetze gegen Homosexuelle. Das kann und darf nicht übersehen werden. Genauso wenig dürfen wir über die Gewalt und Gigantomanie hinwegsehen, mit denen der subtropische Badeort Sotschi auf Kosten der Natur in einen Wintersportort umgewandelt wird. Nur zur Erinnerung: Sotschi liegt auf demselben Breitengrad wie Nizza und ebenso auf Meereshöhe.
Die Entscheidung des Olympischen Komitees zugunsten von Sotschi hat den gleichen Charakter wie die Vergabe der Fifa-Fußballweltmeisterschaft 2022 an Katar: Geld und Macht stehen im Vordergrund. Korrupte Funktionärsgremien und Autokraten lassen bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen jedes Mal die Sektkorken knallen. Das ist nicht Olympia – damit schwindet die Akzeptanz für Olympia in der Bevölkerung.
Was sind die Rahmenbedingungen von Sotschi? Russlands Präsident Putin will sich seinen Traum von den größten Spielen aller Zeiten verwirklichen. Es sind Putins Spiele und nicht die friedlichen Spiele der Nationen, wie es der olympische Gedanke formuliert. Die olympische Charta formuliert in ihrer Präambel sehr deutlich die Selbstverpflichtung zur Förderung einer friedlichen Gesellschaft, die Menschenrechte wahrt, und jegliche Diskriminierung einer Person aufgrund von Rasse, Religion, Politik, Geschlecht oder aus sonstigen Gründen ablehnt.
Globale Bühne für Putin
Der Blick auf die staatlich gesteuerte Diskriminierung Homosexueller in Russland zeigt, dass das Land derzeit den Geist der olympischen Charta nicht erfüllt. So erfreulich und überfällig die massenhafte Amnestie von politischen Gefangenen im Dezember in Russland war – auch sie ist Ausdruck der Willkür, mit der Putin im Vorfeld von Sotschi die Olympischen Spiele als globale Bühne zur Selbstinszenierung nutzt.
Ignorant und verantwortungslos
Das IOC scheint diese Diskussion bisher nicht sehr ernst zu nehmen. Im Gegenteil, das IOC meint, dass Sport und Politik zwei unterschiedliche Dinge seien und getrennt gehören. Diese Haltung ist ignorant und verantwortungslos – Olympia 2008 in Peking lässt grüßen. Auch das deutliche „Nein“ der Bevölkerung zu einer möglichen Olympiabewerbung Münchens zeigt, dass in Deutschland längst eine Diskussion um die Bedingungen und den Sinn sportlicher Großveranstaltungen stattfindet – insbesondere dann, wenn sie ohne Rücksicht auf Ökobilanz und Nachhaltigkeit durchgezogen werden sollen. Dies sollte dem Verbandssport und der Sportpolitik deutlich machen, dass ein Weiter-So hierzulande nicht mehr durchgeht.
Hier stehen die Politik, aber auch die Verbände des deutschen Spitzensports in der Pflicht, die Einhaltung der Menschenrechte und den Schutz der Umwelt laut und deutlich einzufordern. Wir begrüßen es, dass Bundespräsident Gauck hier ein Zeichen gesetzt hat. Wir erwarten auch von der Bundesregierung eine klare Haltung – vor, während und nach den Olympischen Spielen in Sotschi.
Natürlich drücken wir den Sportlerinnen und Sportlern die Daumen und freuen uns für jeden, der bei Olympia dabei sein kann. Sie alle sollen sich auf ihren großen Auftritt voll konzentrieren können. Umso wichtiger ist es deshalb für die politisch Verantwortlichen, wieder den olympischen Rahmen zu schaffen, in dem das gut gelingen kann.
Katrin Göring-Eckardt ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag.
Özcan Mutlu ist sportpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.
http://www.fr-online.de/meinung/sotschi-russland-2014-das-ist-nicht-olympia,1472602,25987116.html
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