Gastbeitrag von Özcan Mutlu für die WELT vom 30.11.2015:
Breitensport ist wichtig für die Gesellschaft: Er hält nicht nur fit und gesund, sondern fördert auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch Sport lernen Kinder und Erwachsene, was Fair Play bedeutet und wie man mit Konflikten umgeht. Ein gemeinsames Basketballtraining oder Fußballspiel kann verschiedene Kulturen zusammenbringen. Wir haben ein hohes Potenzial an sozialen Integrationsmöglichkeiten für Flüchtlinge. Gerade in den vergangenen Wochen haben wir dieses Phänomen auf vielen Bolzplätzen und Sporthallen in Deutschland beobachten können. Sportvereine heißen die Menschen willkommen und erleichtern ihnen das Ankommen.
Miteinander Sport treiben, in den sportlichen Wettkampf treten, nichts verbindet schneller. Sprachliche Barrieren sind da nebensächlich. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte Studie der University of Stirling und der Loughborough University in Großbritannien zeigt: Geflüchtete, die sich gemeinsam mit anderen sportlich betätigen, sind besser integriert.
Unter der Überschrift „Sport und Integration“ haben sich in den letzten Jahren viele positive Bündnisse entwickelt. So haben die Landessportbünde Versicherungen abgeschlossen, die es Geflüchteten ermöglichen, am Vereinssport teilzunehmen, ohne Vereinsmitglied zu sein. Wichtig ist, dass die Vereine, Landessportbünde und Sportverbände ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur Konzipierung und Umsetzung von solchen Programmen und Informationen haben.
Sowohl Politik als auch die großen Sportverbände sind hier gefordert, den Initiativen finanziell unter die Arme zu greifen. Doch hier gibt es erhebliche Probleme, da zum Beispiel Verwaltungsvorschriften es den 90.000 Sportvereinen in Deutschland nicht leicht machen. Jahrzehntelange Regeln wie das Verbot für Sportvereine, Migranten in den ersten drei Monaten anzusprechen, gehören endlich abgeschafft. Klar ist aber auch, dass die bereitstehenden Finanzmittel nicht ausreichen. Darum haben wir Grüne im Sportabschuss beantragt, die finanzielle Ausstattung des Projekts Integration durch Sport für die kommenden Jahre auf zehn Millionen Euro zu verdoppeln.
Eine weitere Herausforderung ist die Bewältigung der Unterkunftsproblematik für Geflüchtete. Vielerorts werden Sporthallen, besonders Schulsporthallen dafür benutzt. Zu Ferienzeiten und zum Übergang mag das sinnvoll sein. Dies kann und darf nur eine Notmaßnahme sein, wenn keine anderen Möglichkeiten existieren. Berlin und andere Großstädte dürfen nicht den Schul- und Vereinssport gegen Flüchtlingsunterkünfte ausspielen. Solange in Berlin viele öffentliche Gebäude als Flüchtlingsunterkünfte in Frage kommen, dürfen dem Schul- und Vereinssport die Sporthallen nicht entzogen werden. Denn Schul- und Vereinssport ist auch eine wichtige Maßnahme für die Integration durch Sport.
Es ist noch viel zu tun. Der Sport wird sicherlich nicht alle gesellschaftlichen Fragen lösen können. Er kann aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den vielen geflüchteten Menschen einen guten Start in Deutschland zu ermöglichen. Ein Runder Tisch von Funktionären und Sportvereinen könnte hierbei ausloten, wie der Sport die Integration aktiv mitgestalten kann.
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