Bundestagsrede zum Anerkennungsgesetz

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Deutschland braucht Fachkräfte! Viele Unternehmen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sind schon jetzt auf ausländische Fachkräfte angewiesen.

Mit diesen Worten beginnt der Bericht der Bundesregierung zum Anerkennungsgesetz. So wahr dieser Satz auch ist, ist es doch nur eine Binsenwahrheit; denn das dürfte allen in diesem Hause bekannt sein, spätestens seit 2012. Ende 2008 hat sich der Bund mit den Ländern auf dem Bildungsgipfel auf eine Verbesserung der Rechtslage zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse und Berufsqualifikationen verständigt. 2012 ist dieses Gesetz dann endlich in Kraft getreten. Seither ist viel Wasser die Spree heruntergeflossen.
Ich schaue mir den vorliegenden 169seitigen Bericht an und frage: Was ist in der Sache überhaupt erfolgt? Wenn man sich diesen Bericht genau anschaut – an dieser Stelle schütte ich Ihnen eine gehörige Portion Spreewasser in Ihren Wein –, so sieht man lauter Allgemeinplätze, Zuständigkeitsgerangel und viele offene Fragen, meines Erachtens zu viele offene Fragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie schon gesagt worden ist: Wir sind eine Wirtschaftsnation und stehen für Innovation und wirtschaftliche Dynamik. Wir wissen seit Jahren, dass in unserem Land ein Fachkräftemangel herrscht, und das nicht nur in technischen Berufen oder im Pflegebereich, sondern inzwischen in vielen, vielen Branchen. Das Anerkennungsgesetz und die damit einhergehende Reform war daher nicht nur ein notwendiger, sondern auch ein absolut überfälliger Schritt. Die Regeln und die Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Abschlüssen waren nämlich auch nach 60 Jahren Zuwanderung absolut unterentwickelt. Ich sage: Allein schon aus wirtschaftspolitischer Sicht können wir es uns nicht leisten, dass hochqualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer nur als Hilfskräfte angestellt werden, weil ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können es uns auch nicht leisten, dass die Anerkennungsverfahren immer noch so ewig lange dauern. Man wird das Gefühl nicht los, Sie wollten hier ein Bürokratiemonster erschaffen. Ehrlich gesagt verstehe ich Sie auch gar nicht. Normalerweise sind Sie, wenn es um die Interessen der Wirtschaft geht, immer schnell bei der Sache, aber hier leider nicht. Ich sage: Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen ist auch für die Teilhabemöglichkeiten von Zuwanderinnen und Zuwanderern in unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung.

Viele Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen in unser Land gekommen sind, hatten in ihrer ursprünglichen Heimat oft eine Ausbildung, einen Abschluss und sehr viel Berufserfahrung. Wir müssen diese Berufsausbildungen und Abschlüsse zum Wohl unserer Gesellschaft und auch zum Wohl unserer Wirtschaft schnell und zügig anerkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch eine gewaltige Chance für die Integration. Leider muss ich sagen, dass die Anerkennung ausländischer Abschlüsse trotz anders lautender Lippenbekenntnisse, die wir auch heute wieder hören konnten, nur sehr schleppend vorankommt.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Ihr könnt mithelfen!)

In diesem Bericht werden zahlreiche Mängel aufgezählt, die dringend behoben werden müssen.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Ja, ja, immerhin!)

Da ist die Rede – wir können gerne gemeinsam daran arbeiten –

(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Eben!)

von etlichen Regelungslücken, die zu Unsicherheiten bei den Antragsstellerinnen und Antragsstellern führen. Da ist die Rede von einem erheblichen Entwicklungsbedarf für einen möglichst bundeseinheitlichen Vollzug der Verfahren. Da geht es um die uneinheitliche Regelung der Kosten. Flüchtlinge tauchen in Ihrem Bericht nur flüchtig auf, um präzise zu sein: nur mit dem Hinweis, dass sie mit „erheblichen Hürden“ konfrontiert werden, und das nach zwei Jahren. Ich frage Sie: Warum arbeiten Sie denn nicht daran, diese Hürden abzubauen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Diese Flüchtlinge sind oftmals hochqualifiziert und wären auch ein Gewinn für unsere Gesellschaft.
Ein anderes wichtiges Thema ist die Nachqualifizierung. Hier haben Sie große Lücken hinterlassen, die die Länder nun selber schließen sollen. Da lassen Sie die Länder gerne allein.

Am meisten ärgert mich an diesem Bericht die Tatsache, dass Sie einzig und allein Absichtserklärungen verkünden oder immer wieder andere zum Handeln auffordern. Es fehlt Regierungshandeln! Da verlangen wir mehr von Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie und wann Sie selber tätig werden wollen, wie Sie gemeinsam mit den Bundesländern bestehende und bekannte Probleme lösen wollen, erfahren wir auch nicht nach Lektüre der 169 Seiten. Die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sind – ich zitiere jetzt wieder aus Ihrem Bericht – zu lang und zwischen den Bundesländern zu uneinheitlich.

Ich sage: Nach zwei Jahren sollte so etwas nicht mehr in dem Bericht stehen. Setzen Sie sich mit den Bundesländern an einen Tisch und lösen Sie zügig die Probleme, statt nur darüber zu reden. Wir brauchen flächendeckende und funktionierende Strukturen statt eines unsäglichen Zuständigkeitsgerangels. Wir brauchen Vereinheitlichung, Vereinfachung und Beschleunigung. Machen Sie Tempo! Wir helfen Ihnen gerne dabei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

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