Der Sport in der Krise – Oder die Krise als Chance, die genutzt werden muss!

Gastbeitrag von Özcan Mutlu für die Huffington Post, 26.02.2016

Korruption im Fußball, Doping in der Leichtathletik, organisierter Spielbetrug im Tennis: Das sind nur einige und die bekanntesten der aktuellen Skandale, die die Sportwelt derzeit erschüttern. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Vorwürfe, Verdachtsmomente oder Fakten auftauchen. Die Dreistigkeit einzelner Akteure oder ganzer Verbände, die Dimension und Tragweite der einzelnen Fälle überbieten sich dabei gegenseitig. Die schiere Masse an Betrugsvorwürfen ist beispiellos. Mafiöse Strukturen überall. Die Kürzel FIFA, IAAF, IOC, etc. stehen in der Wahrnehmung der Menschen für Korruption, Intransparenz, Vetternwirtschaft und Betrug.

Mit den gegenwärtigen Enthüllungen – und dem was möglicherweise in den kommenden Wochen und Monaten noch aufgedeckt wird – findet sich der Sport am Grunde einer tiefen Krise wieder, die seine Glaubwürdigkeit schwer erschüttert und seine Integrität grundlegend infrage stellt. Meiner Ansicht nach kann und darf es darauf keine andere Reaktion geben, als diese Situation als Ausgangpunkt zur Rückbesinnung auf sportliche Ideale und Werte in unserer Gesellschaft zu nutzen. Der Sport braucht eine positive Erneuerung und Reformen, um diese voranzutreiben.

In der Fußballwelt kommen täglich neue Vorwürfe und Beweise über Betrügereien und Bestechungen ans Licht. Auch in der Affäre um den Deutschen Fußballbund (DFB) und die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft an Deutschland 2006, wie auch im Weltfußballverband (FIFA) steht Korruption und fehlende Transparenz im Mittelpunkt der Ermittlungen.

Sowohl der DFB als auch die FIFA reagieren darauf mit Besserungs- und Reformversprechen. Die Ethikkommission der FIFA sperrt einen Funktionär nach dem anderen. Ein guter Anfang, doch dies reicht lange nicht aus. Beim außerordentlichen FIFA-Kongress am 26. Februar steht deshalb auch eine „Reform der FIFA-Organisationsstruktur“ auf der Tagesordnung. Ob die FIFA den Mut und die Kraft hat, längst überfällige Reformen wie eine Amtszeitbegrenzung für den Präsidenten, eine echte Frauenquote, eine komplette Neustrukturierung der Gremien und deutlich mehr Transparenz tatsächlich umzusetzen, bleibt abzuwarten. Dasselbe gilt für den DFB, der in einem unglaublichen Eiltempo einen neuen Präsidenten wählen wollte, ohne ein Deut an Aufklärung betrieben zu haben. Ob der dringende Neuanfang und die notwendigen Reformen mit entsprechenden Kontrollmechanismen beim DFB angegangen werden, steht in den Sternen.

Sicher ist jetzt schon, dass der neue FIFA-Präsident, der demnächst als Nachfolger des gesperrten Monarchen Joseph Blatter gewählt werden wird, keinen Neuanfang verheißt: Sämtliche Kandidaten sind entweder mit Blatter selbst oder mit dem gemeinsam mit Blatter gesperrten Ex-Präsidenten des Europäischen Fußballbunds (UEFA) Michel Platini eng verbandelt und sind Teil des Blatter-Systems. Dem Bahreinischen Scheich Salman bin Ebrahim Al Khalifa lasten zudem Vorwürfe von Menschenrechtsorganisationen im Zusammenhang mit der Zerschlagung von Aufständen innerhalb seines Landes an. Der Schweizer Gianni Infantino scheint das alte Wahlprogramm von Blatter übernommen zu haben. Der Franzose Jérome Champagne war zehn Jahre lang Blatters Berater. Der Südafrikaner Tokyo Sexwale sein treuer Zögling. Egal, wer gewählt werden wird, schon die Kandidatenlage ist eine verschenkte Chance für den Weltfußball.

Der DFB lässt seinen Skandal währenddessen von der Kanzlei Freshfields aufarbeiten. Ein begrüßenswerter erster Schritt, doch dabei darf es nicht bleiben. Auch hier muss die Gunst der Stunde genutzt werden, um aus verbrannter Asche mithilfe von Reformen und unbelastetem Personal Neues aufzubauen. Der DFB ist als weltgrößter Fußballverband auch in der Pflicht, in der UEFA und FIFA mit gutem Beispiel voranzugehen und Reformen auf dieser Ebene zu forcieren.

Angesichts der Krise des Sports haben jedoch nicht nur die Verbände Verantwortung. SportlerInnen, Fans, ZuschauerInnen und Sponsoren sind ebenfalls Teil des Sports, Teil des Fußball, des Tennis und der Leichtathletik als gesellschaftliches Großereignis. So sind wir alle – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – mitverantwortlich dafür, in welchem Zustand sich der Sport aktuell befindet. Konsequenterweise können wir nur gemeinsam zur Lösung beitragen.

Sponsoren und Geldgeber, SportlerInnen, ZuschauerInnen und Fans müssen mehr Transparenz und bessere Kontrollmechanismen gegen Betrug und Korruption bei Verbänden einfordern. Die Fans sollten ihr Lieblingsteam nicht nur daran messen, ob es gewinnt, sondern auch daran, ob das Idol der Tochter oder dem Sohn auch ein gutes Vorbild ist und seinen oder ihren Sieg nicht durch Betrug erschleicht. Sponsoren, Geldgeber, Veranstaltungsausrichter und TV-Sender müssen Konsequenzen ziehen, wenn klar wird, dass z.B. Spielergebnisse oder Leistungen mit unlauteren Mitteln beeinflusst werden.

Die Sportwelt, könnte man dieser Tage nüchtern meinen, wäre nur ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sport aber sollte den Anspruch haben, die Ideale der Gesellschaft zu verkörpern und vorzuleben und damit wieder positiv auf diese selbst zu wirken. Nicht als Spiegel sondern als Vorbild. Die gegenwärtigen Skandale müssen Weckruf dafür sein und als Chance genutzt werden. Dazu kann jede und jeder einen Beitrag leisten.

 

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